Judith Mair: Schluss mit lustig! - Warum Leistung und Disziplin mehr bringen als emotionale Intelligenz, Teamgeist und Soft Skills

Judith Mairs Buch spricht mir voll aus dem Herzen. Gut, es ist ein wenig krass, aber es geht definitiv in die richtige Richtung, nämlich dem Trend entgegen. Während ich noch angestellt war, habe ich mich nämlich auch gewundert, warum es nicht genügt, wenn ich vertragsgemäß 40 Stunden pro Woche konzentriert arbeite und ansonsten mein Privatleben pflege. Stattdessen sollte ich durch unehrliches Lob dazu motiviert werden, auch noch kostenlos am Wochenende zu arbeiten.

Aber zu Mairs Kritikpunkten und Argumenten. Sie kritisiert das Prinzip des "Management by the last book read".

Durch die modernen Managementmethoden stehlen sich Vorgesetzte aus der Verantwortung. Sie geben den Mitarbeiter/innen nur Ziele vor, nicht den Weg dorthin. Den müssen diese dann nicht nur selbst finden, sondern auch selbst verantworten. Der Chef ist nicht mehr der erfahrene Senior, der seine Erfahrungen an Jüngere weitergibt. "Vertrauen, Verantwortung und Selbstbestimmung" heißen die drei Schlagworte, die es dem Chef erlauben, Verantwortung nach unten abzuwälzen, fehlende Strukturen zu rechtfertigen und die Mitarbeiter durch unrealistisch überhöhte Zielvereinbarungen zur Selbstausbeutung zu treiben. Dies führt zu einer "Diktatur der Arbeit". Dass der Mitarbeiter nur ein Kostenfaktor ist, kein Firmenvermögen, das ist ja längst bekannt. "Ziel und Pflicht des Unternehmers muss es sein, die Mitarbeiter [...] vor Stress [...] zu bewahren, statt sie darauf abzurichten." Ja, das wäre schön!

Die Flexibilisierung der Arbeitszeit hat nicht unbedingt zur besseren Work-Life-Balance beigetragen, sondern v.a. die Anzahl der Arbeitsstunden erhöht. Die Stechuhr wurde durch die Kollegen ersetzt, die leider nicht ganz so objektiv mitzählen wie eine Maschine. Gerät jemand in den Verdacht, zu wenig zu arbeiten, wird gleich gemobbt. Gleichzeitig droht das Unternehmen zur Wohngemeinschaft zu verkommen.

Persönlichkeit: Mair stellt zu Recht fest, dass es heutzutage nicht mehr genügt, wenn der Mitarbeiter einfach seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Stattdessen muss er die richtige Persönlichkeit mitbringen oder vortäuschen. Somit verbringt der Mitarbeiter seine Zeit nicht nur mit produktiver Arbeit, sondern vor allem mit Selbstdarstellung. Er muss sich gut verkaufen können. Das führt oft dazu, dass hoch qualifizierte Leute keinen passenden Job finden, weil sie sich nicht verbiegen wollen.

Management by Fun: Zusätzlich muss der Mitarbeiter auch noch Spaß an der Arbeit haben, selbst wenn sie langweilig ist. "Die meisten dem Erwerb dienenden Arbeiten sind überhaupt nicht in der Lage, diese Forderungen einzulösen." (S. 81) "Das völlige Aufgehen in der Arbeit wird zum Ziel der Arbeit an sich erklärt. [...] Alles nur eine Frage der inneren Einstellung!" (S. 79)

S. 175: "Es sind heutzutage nicht wenige Mitarbeiter, die die Wahrung der Formen und die Verwendung höflicher Floskeln wie: 'Guten Tag, mein Name ist Frau X, ich habe Sie schon erwartet, ich bin für Sie zuständig, hier ist Ihr Arbeitsplatz, Ihre Aufgabe ist, Ihre Kollegen sind...' einem 'Hi, die Karin meinte, die Woche würde einer kommen, der Stefan ist noch im Team, der weiß, glaub' ich, mehr... pflanz dich einfach irgendwo hin, wir nehmen das hier nicht so genau, ist alles ziemlich locker', vorziehen würden."

Judith Mair: Schluss mit lustig! - Warum Leistung und Disziplin mehr bringen als emotionale Intelligenz, Teamgeist und Soft Skills. Eichborn AG, Frankfurt am Main, Oktober 2002, ISBN 3-8218-3962-7

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