Berlin, 24. Mai 2018
Pressemitteilung der GI zum
Ländercheck Informatik von Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung.
"Die zunehmende Bedeutung der Informatik als die gestaltende Disziplin hinter der digitalen Transformation zeigt sich in den steigenden Studienanfängerzahlen: In den letzten fünf Jahren haben sich knapp 20 Prozent mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger für ein Informatik-Studium entschieden – im Wintersemester 2016/17 waren es 33.443. Dem Ländercheck Informatik zu Folge sind demnach mittlerweile 7,7 Prozent aller Studienanfänger der Informatik zuzuordnen – 2011 waren es noch 6,3 Prozent. Gleichzeitig sinke jedoch der Anteil, den die Informatik am wissenschaftlichen Personal ausmache, von vier Prozent in 2011 auf 3,8 in 2016. Auch die Anzahl der Professuren im Bereich Informatik stagniere seit fünf Jahren: lediglich jede zwanzigste Professur sei in der Informatik angesiedelt.
[...]
Der Ländercheck Informatik offenbart ein weiteres, leider bereits bekanntes Manko: Bundesweit ist das Informatik-Studium nach wie vor männerdominiert. Zwar sei der Frauenanteil seit 2011 in fast allen Bundesländern gestiegen aber trotz der großen Anstrengungen in den Hochschulen seien nur 20 Prozent der Informatik-Studierenden weiblich. Dagegen sei der Anteil internationaler Studierender in der Informatik überdurchschnittlich hoch.
Prof. Dr. Hannes Federrath: „Um mehr Frauen für eine Karriere in der IT und der Informatik zu begeistern, muss unser Bildungssystem viel früher ansetzen: Wir müssen Mädchen bereits in der Schule von den kreativen Gestaltungsmöglichkeiten durch informatische und informationstechnische Systeme überzeugen. Wir müssen mehr angehende Lehrer und vor allem Lehrerinnen zur Aufnahme eines Informatikstudiums bewegen und so entsprechende Rollenvorbilder schaffen. [...]“
Ein dramatisches Bild. Es ist auf jeden Fall herausfordernd, Informatik zu lehren, wenn man richtig große Gruppen hat. Jede einzelne Hausaufgabe muss man dann 50 Mal korrigieren, und die meisten Dozenten behelfen sich damit, dass sie Gruppenarbeit einführen. Dann sind es nur noch 10 Abgaben statt 50. Gruppenarbeit mag ja ebenfalls eine sinnvolle Fähigkeit zu sein, welche die Studenten einüben sollten. Praktisch heißt es aber meist, dass in einem Fünferteam nur einer die Aufgabe löst und die anderen sich nicht mal die Lösung ansehen. So lernen die Studenten nicht Teamarbeit, sondern Trittbrettfahrerei. Natürlich kann man das Problem abmildern, indem man hinterher jedes Teammitglied zu den Ergebnissen befragt, aber auch das ist bei 50 Lernenden aufwändig. Für eine einzelne Aufgabe. Nächste Woche müssen sie wieder Aufgaben lösen. Gerade die Informatik ist ja kein Fach, bei dem es ums Auswendiglernen von Gesetzen, Flussnamen oder Theorien geht. Das bekommen die Studenten auch ohne Dozent hin. In der Informatik sollen die Studierenden Methoden anwenden und gute Ergebnisse erbringen. Das lernen sie durch Machen, Feedback, Korrigieren. Und dieses individuelle Feedback muss vom Dozenten kommen. 5 Minuten Begutachtung pro Hausaufgabe macht bei 35 Aufgaben 175 Minuten, also 3 Stunden. Die übliche Kursgröße beträgt 35, aber auch 50 oder 120 Teilnehmer kommen immer wieder vor. Hier alleine eine individuelle Betreuung sicherzustellen, verlangt viele unbezahlte Überstunden. Die Leistung eines Dozenten wird nämlich nur nach Anzahl Kursstunden gemessen und bezahlt. Hausaufgabenkorrekturen, Feedbackgeben, Unterstützung der Studenten außerhalb der Kurse erfolgen vollständig unbezahlt. Also, ich fände es gut, wenn besser in die Betreuung der zukünftigen Fachkräfte investiert würde. Schließlich basteln die dann die Software, von denen unsere Sicherheit abhängt.
Was den Frauenanteil angeht, sehe ich die Ursache nicht nur in fehlenden Vorbildern und frühkindlicher Prägung. Abgesehen davon, dass die weiblichen Vorbilder auch nicht unbedingt nachahmenswert sind. Also, meine Arbeitszeiten und die wahnwitzig vielen Dienstreisen wollen meine Studentinnen normalerweise nicht nachahmen! Wie attraktiv ist eigentlich die Arbeit in einem Bereich, wo es keine geregelten Arbeitszeiten gibt und ein riesiger Leistungsdruck herrscht?
Und dann sind wir Frauen in der Informatik ja nicht wirklich willkommen. Während Studium und Berufsleben wird einer Frau immer wieder kommuniziert, dass sie hier zumindest ungewöhnlich und exotisch ist, wenn ihr nicht gleich die Machos kommunizieren, dass sie hier unerwünscht ist, weil Frauen üblicherweise keine Ahnung von Informatik haben. Das Arbeitsklima ist für Frauen in der Informatik ungefähr so rau wie bei einer Arktisexpedition oder auf einer Baustelle. Darum sind die einen zynisch und wirken sehr kalt, und die anderen sind verhuscht und sprechen nur noch ganz leise. Auch nicht so schön als Vorbilder!
Andrea Herrmann
AndreaHerrmann - 24. Mai, 09:52