Coaching ist sowas von nineties!
Neulich habe ich mir mal wieder ein Lebenshilfe-Buch gekauft. Ich hatte doch tatsächlich erwartet, dort etwas Neues zu entdecken. Pustekuchen! Seit Jahrzehnten wird immer derselbe Esoterikquatsch wiedergekäut. Jeder, der das positive Denken gerade erst entdeckt, sich selbständig gemacht hat und sich seit drei Wochen euphorisch fühlt, schreibt gleich ein Buch nach dem Motto "So wie ich müsst ihr es auch machen, ich habe das Geheimnis des Erfolgs entdeckt!" Natürlich muss er das auch tun, das gehört zur normalen Marketing-Strategie dazu. (Steffi, aufschreiben: Andrea an ihre noch zu schreibenden Bücher erinnern!)
Nach meiner Beobachtung sind aber die Leute, die von sich behaupten, nur positiv zu denken, die schlimmsten Griesgräme weit und breit und dermaßen destruktiv, dass man sich nicht wundert, dass sie Hurra-Parolen brauchen, um überhaupt morgens aus dem Bett zu kommen. Aber Papier ist ja geduldig.
Für mich sind solche von Coaches geschriebene Bücher inzwischen ja sowas von nineties! Damals habe ich den Kram geglaubt und verkehrte ja auch unter Leuten, die das auch taten. Weswegen es so aussah als sei es richtig. Das oberflächliche Umfeld bewertet einen ja wirklich nur nach Selbstdarstellung und nicht nach Kompetenz. Selbst die Arbeit, die man macht, wird von kaum jemandem gesehen und noch weniger können wirklich beurteilen, was sie taugt. Alle verhalten sich so als würde es nur auf die Einstellung ankommen und daher scheint es wahr zu sein.
Inzwischen habe ich aber diesen Esoterik- und Heile-Welt-Kram längst hinter mir gelassen. Ich habe keine Lust mehr, mir große Gedanken darüber zu machen, ob meine Gedanken rein genug sind. Im Gegenteil stehe ich zu all meinen fiesen Gedanken und Frustrationen. Unterdrückt man diese, brechen sie sich sowieso ihre Bahn, doch beim Unterdrücken drückt man auch die positiven Gefühle weg.
Beispiel Wünsche ans Universum: Klappt natürlich. Genauso wie man sich einbilden kann, von einem Geheimbund verfolgt zu werden, und sofort sieht man überall Anzeichen dafür. Man kann alle Fakten entsprechend umdeuten und damit seine Erwartungen erfüllt sehen. Die Betonung liegt auf "sehen". Gerade Positiv-Denker glauben viel zu oft an Vorsehung und Fingerzeige des Himmels und werden so leicht Opfer von Betrügern, die ihnen die Hoffnung verkaufen, die sie suchen. Ist ja auch bequem, nicht die Verantwortung für seine Entscheidungen tragen zu müssen.
Diese Ratgeberbücher enthalten selten ein durchdachtes, konsistentes Konzept. (Das kann man von Nicht-Wissenschaftlern eventuell auch nicht erwarten?) Stattdessen wird der Leser bombardiert mit einer Mischung aus einander paarweise widersprechenden Ratschlägen. Das ist ein prima Coaching-Trick, um am Ende immer Recht zu behalten.
Die egozentrische Selbstüberschätzung, die diese Bücher lehren, irritieren mich. Ich glaube nicht, dass es dauerhaft gesund für die zwischenmenschlichen Beziehungen ist, sich selbst ins allein steuernde Zentrum des Universums zu setzen. Selbstachtung und Verfolgung der eigenen Ziele sind ja OK, das machen alle. Aber die eigene Freiheit hört ja bekanntlich dort auf, wo sie die Freiheit der anderen einschränkt. Natürlich, klar, kann ich durch negative Erwartungen Chancen übersehen und Leute negativ beeinflussen, die bei nicht genügender Begeisterung meinerseits schlussfolgern, mir sei die Sache nicht wichtig. Aber umgekehrt kann man nur ziemlich wenige Menschen durch positives Denken manipulieren. Für die Manipulation haben die Positiv-Denker sowieso ganz andere Werkzeuge im Gepäck. Die dann halt weniger positiv sind. Mir begegnen immer wieder Coaches, die, um mich als Kundin zu gewinnen, mir einreden, ich sei völlig defektuös und brauche dringend ihre Hilfe. Sie versuchen krampfhaft, verborgene Ängste anzutriggern. Jedenfalls nachdem sie mit dem Ausmalen von Visionen und dem Wecken von Träumen keinen Erfolg hatten. Neulich sagte jemand zu mir, er spüre, dass da in mir ganz viel unterdrückte Energie sei, Träume, die gerne raus wollen. Ich wette, bei 99% der Menschen bringt man damit eine Saite zum Klingen. Die Energie, die ich unterdrückte, war eher der Ärger, dass er überhaupt versuchte, mich mit so billigen Jahrmarkttricks dran zu kriegen! Wieso glauben die, dass ich auf so etwas hereinfalle? Weil es bei allen anderen wirkt??
Schlimm finde ich, dass man tatsächlich unanständig viel Geld verdienen kann damit, dass man Menschen die perfekte heile Welt und die vollständige Kontrolle über das eigene Schicksal verspricht. Das wollen die Leute! Oh weh! Viel zu leichtsinnig empfehlen Coaches, man solle sofort abbrechen, was einem nicht gefällt. Einfach etwas Neues anfangen. Als träte man mit einem Neustart sofort ins Paradies ein. Dabei ist aller Anfang doch schwer.
Ich verfolge da einen anderen Coaching-Ansatz. Ganz trocken managementmäßig, mit Fakten, Ergebnissen wissenschaftlicher Studien und iterativem Vorgehen. Inkrementelle Verbesserung statt Wegwerfmentalität. Und ein gesundes Maß an Zynismus. Man muss sich einfach damit abfinden, dass in einem komplexen System wie sie diese Welt nunmal ist, ganz viel nicht nach unseren Wünschen läuft. Das ist sicher. Wir können in dieser Welt nur relativ wenig steuern. Auf dieses wenige sollten wir uns konzentrieren.
Andrea Herrmann
Nach meiner Beobachtung sind aber die Leute, die von sich behaupten, nur positiv zu denken, die schlimmsten Griesgräme weit und breit und dermaßen destruktiv, dass man sich nicht wundert, dass sie Hurra-Parolen brauchen, um überhaupt morgens aus dem Bett zu kommen. Aber Papier ist ja geduldig.
Für mich sind solche von Coaches geschriebene Bücher inzwischen ja sowas von nineties! Damals habe ich den Kram geglaubt und verkehrte ja auch unter Leuten, die das auch taten. Weswegen es so aussah als sei es richtig. Das oberflächliche Umfeld bewertet einen ja wirklich nur nach Selbstdarstellung und nicht nach Kompetenz. Selbst die Arbeit, die man macht, wird von kaum jemandem gesehen und noch weniger können wirklich beurteilen, was sie taugt. Alle verhalten sich so als würde es nur auf die Einstellung ankommen und daher scheint es wahr zu sein.
Inzwischen habe ich aber diesen Esoterik- und Heile-Welt-Kram längst hinter mir gelassen. Ich habe keine Lust mehr, mir große Gedanken darüber zu machen, ob meine Gedanken rein genug sind. Im Gegenteil stehe ich zu all meinen fiesen Gedanken und Frustrationen. Unterdrückt man diese, brechen sie sich sowieso ihre Bahn, doch beim Unterdrücken drückt man auch die positiven Gefühle weg.
Beispiel Wünsche ans Universum: Klappt natürlich. Genauso wie man sich einbilden kann, von einem Geheimbund verfolgt zu werden, und sofort sieht man überall Anzeichen dafür. Man kann alle Fakten entsprechend umdeuten und damit seine Erwartungen erfüllt sehen. Die Betonung liegt auf "sehen". Gerade Positiv-Denker glauben viel zu oft an Vorsehung und Fingerzeige des Himmels und werden so leicht Opfer von Betrügern, die ihnen die Hoffnung verkaufen, die sie suchen. Ist ja auch bequem, nicht die Verantwortung für seine Entscheidungen tragen zu müssen.
Diese Ratgeberbücher enthalten selten ein durchdachtes, konsistentes Konzept. (Das kann man von Nicht-Wissenschaftlern eventuell auch nicht erwarten?) Stattdessen wird der Leser bombardiert mit einer Mischung aus einander paarweise widersprechenden Ratschlägen. Das ist ein prima Coaching-Trick, um am Ende immer Recht zu behalten.
Die egozentrische Selbstüberschätzung, die diese Bücher lehren, irritieren mich. Ich glaube nicht, dass es dauerhaft gesund für die zwischenmenschlichen Beziehungen ist, sich selbst ins allein steuernde Zentrum des Universums zu setzen. Selbstachtung und Verfolgung der eigenen Ziele sind ja OK, das machen alle. Aber die eigene Freiheit hört ja bekanntlich dort auf, wo sie die Freiheit der anderen einschränkt. Natürlich, klar, kann ich durch negative Erwartungen Chancen übersehen und Leute negativ beeinflussen, die bei nicht genügender Begeisterung meinerseits schlussfolgern, mir sei die Sache nicht wichtig. Aber umgekehrt kann man nur ziemlich wenige Menschen durch positives Denken manipulieren. Für die Manipulation haben die Positiv-Denker sowieso ganz andere Werkzeuge im Gepäck. Die dann halt weniger positiv sind. Mir begegnen immer wieder Coaches, die, um mich als Kundin zu gewinnen, mir einreden, ich sei völlig defektuös und brauche dringend ihre Hilfe. Sie versuchen krampfhaft, verborgene Ängste anzutriggern. Jedenfalls nachdem sie mit dem Ausmalen von Visionen und dem Wecken von Träumen keinen Erfolg hatten. Neulich sagte jemand zu mir, er spüre, dass da in mir ganz viel unterdrückte Energie sei, Träume, die gerne raus wollen. Ich wette, bei 99% der Menschen bringt man damit eine Saite zum Klingen. Die Energie, die ich unterdrückte, war eher der Ärger, dass er überhaupt versuchte, mich mit so billigen Jahrmarkttricks dran zu kriegen! Wieso glauben die, dass ich auf so etwas hereinfalle? Weil es bei allen anderen wirkt??
Schlimm finde ich, dass man tatsächlich unanständig viel Geld verdienen kann damit, dass man Menschen die perfekte heile Welt und die vollständige Kontrolle über das eigene Schicksal verspricht. Das wollen die Leute! Oh weh! Viel zu leichtsinnig empfehlen Coaches, man solle sofort abbrechen, was einem nicht gefällt. Einfach etwas Neues anfangen. Als träte man mit einem Neustart sofort ins Paradies ein. Dabei ist aller Anfang doch schwer.
Ich verfolge da einen anderen Coaching-Ansatz. Ganz trocken managementmäßig, mit Fakten, Ergebnissen wissenschaftlicher Studien und iterativem Vorgehen. Inkrementelle Verbesserung statt Wegwerfmentalität. Und ein gesundes Maß an Zynismus. Man muss sich einfach damit abfinden, dass in einem komplexen System wie sie diese Welt nunmal ist, ganz viel nicht nach unseren Wünschen läuft. Das ist sicher. Wir können in dieser Welt nur relativ wenig steuern. Auf dieses wenige sollten wir uns konzentrieren.
Andrea Herrmann
AndreaHerrmann - 12. Apr, 16:20