Freitag, 29. April 2016

Alles wird immer schlimmer?

Seit (gefühlt) Jahrhunderten lese ich Fachartikel, Studien, Masterarbeiten und Produkt-Whitepapers, welche die Bedeutung ihrer Arbeit allein damit begründen, dass in dieser Welt immer alles schlimmer wird. Time to market wird kürzer, die Konkurrenz billiger, die Risiken höher, die gesetzlichen Auflagen strenger, und so weiter und so weiter. Insgesamt entsteht dadurch eine regelrechte Katastrophenstimmung, und ich will nur hoffen, dass die Autor/innen das alles selbst nicht glauben. Hoffentlich schreiben sie das alles nur, weil ihnen keine triftigere Begründung dafür einfällt, warum sie die millionste Masterarbeit zur Bedeutung von Risikomanagement oder Innovationsmanagement schreiben oder ein Tool entwickelt haben, wie es eigentlich schon hundert gibt. Vielleicht ist es aber auch nur eine dumme Angewohnheit. Aber eigentlich sollte man sich - außer bei einer Masterarbeit - vorher durchaus mehrmals überlegen, in welches Thema man seine Lebenszeit investieren möchte.

Ich persönlich finde, dass eigentlich nur eines wirklich schlimmer geworden ist in den letzten Jahren: Die Informationsflut. Ich kann immer mehr in immer kürzerer Zeit wissen. Aber auch das ist prima im Vergleich dazu, wie umständlich ich mir in meiner Jugend Informationen beschaffen musste. Um das heutige Kinoprogramm zu erfahren, brauchte ich zuerst die Telefonnummer des Kinos und rief dann womöglich noch zu einem unpassenden Zeitpunkt an - außerhalb der Geschäftszeiten oder dann wenn alle anderen auch anrufen. Und die Suche nach Fachliteratur bestand aus einem eintägigen Ausflug in eine Bücherei (gerne auch in einer anderen Stadt), wo man sich beim Exzerptieren eine Sehnenscheidenentzündung zusammen schrieb. Heute können wir gezielt Wissen schneller, bequemer und umfassender beschaffen. Die heutige bessere Informationslage führt natürlich auch zu Preisdumping, weil Kunden weltweit vergleichen können. Hong Kong verkauft ja auch auf ebay.de versandkostenfrei. Allerdings wissen erfahrene Käufer inzwischen, dass nicht jedes blinkende Internet-Schnäppchen sein Geld wert ist. Ach, wir wissen so viel!

Ansonsten... Ist wirklich alles so viel schlimmer geworden, dass es dieses allgemeine Gejammer rechtfertigt? Oder rechtfertigt das Gejammer umgekehrt eher nutz- und phantasielose Forschungs- und Entwicklungsarbeiten?

Von uns wird durchaus eine höhere Effizienz erwartet, aber nur deshalb, weil wir sie auch leisten können. Aber es gibt so viel Hilfe dabei, gute Arbeit zu leisten. Standards sind ja nicht Hindernisse, sondern Leitlinien. Viele Software-Werkzeuge benutzen wir sogar kostenlos, Dienstleistungen können wir gut und günstig outsourcen und damit selbst mehr erreichen.

Ich glaube, es ist nach wie vor dasselbe: Es wird so viel gepfuscht in dieser Welt, dass gute Arbeit sich immer noch zu einem ordentlichen Preis verkaufen kann. Gerade diejenigen, die sich vom angeblichen Druck irritieren lassen, haben das Nachsehen. Ein anschauliches Beispiel sind die Bäcker. Wollen die Menschen wirklich immer schlechteres Brot für weniger Geld? Warum versuchen die Bäckereien überhaupt, mit Fabrikbrot aus dem Discounter zu konkurrieren, 100 Sorten anzubieten und das zu kleinem Preis? Das geht doch mit Qualitätsarbeit gar nicht. Und wenn ich beim Bäcker dasselbe Aufbackbrötchen und Brotmischungsbrot wie im Supermarkt bekomme, nur doppelt so teuer, nunja... Regelmäßig backe ich inzwischen wieder selbst, weil man das Brotbacken anscheinend heutzutage nicht mehr outsourcen kann. Inzwischen habe ich aber doch einen exzellenten Bäcker entdeckt, der bietet 6 Brotsorten an, eine besser als die andere! Da ist der Preis dann auch fast egal, denn wenn ich ein einzelnes Brot selbst backe, sind das zwei Stunden Arbeit. So gerechnet...

Darum: Lassen wir uns nicht irritieren!

Andrea Herrmann

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