Mittwoch, 4. Juni 2014

Vortrag am 2.6. in Stuttgart: Software Engineering lehren, lernen, nachholen: Was wissen wir darüber? (Prof. J. Ludewig)

Der Vortrag fand statt anlässlich des Treffens der GI-Regionalgruppe. Hier eine kurze Zusammenfassung des Vortrags:

Was ist überhaupt Software Engineering (SE)? Was gehört zu diesem Fach und was muss folglich gelehrt werden? Auch wenn dank Bologna Umfang und Inhalt des SE im Modulhandbuch festgelegt wird, löst dies nicht das Problem, dass eigentlich sehr viel zum SE gehört und nicht in Kürze gelehrt werden kann.

Zu SE gehören:
  • Grundlagen wie Mathematik und Informatikgrundlagen (z.B. theoretische Informatik)
  • SE-Fachwissen wie Software-Eigenschaften, Programmiersprachen, Datenbanken, verteilte Systeme, Prüftechniken und Qualitätssicherung, Programmiererfahrung in mindestens zwei Sprachen und ein wenig Assembler, Notiationen, Methoden des Software- und Systementwurfs.
  • Denkmodelle und Ansätze des Ingenieurs: Demut, Kostenorientierung, Problem- und Risikobewusstsein, eine positive Einstellung gegenüber Qualität und Normen, Urteilsfähigkeit gegenüber Moden und Hypes.
  • Wissen und Erfahrung in der Projektdurchführung
All dieses Wissen kann man nicht sequenziell in einen Studienplan quetschen. Dieses Problem löst man z.B. dadurch, dass man die Werte des Ingenieurs nicht lehrt sondern vorlebt, theoretische Grundlagen in die praxisorientierte Lehre integriert, Spezialwissen in Projekten einbaut, das Lernen lehrt und Mut zur Lücke hat. Der Lehrstoff kann immer nur exemplarisch sein. Nach dem Studium folgt das lebenslange Lernen.

Hindernisse für eine gute SE-Lehre sind die ungünstige Betreuungsrelation, der Mangel an praktischer SE-Erfahrung der Lehrenden, falsche Ziele bei der Ausgabe von Projekten (die Erwartung, dass der Lehrende das Ergebnis schon vorab kennt), Kapitulation vor dem Druck der Studierenden und der geringe Stellenwert der Lehre an forschungsorientierten Universitäten. Der Professor darf nicht von sich erwarten, alles bereits zu können und zu wissen, sondern muss sich selbst als Lernenden sehen.

Wie sieht es nun aus mit SE-Schulungen im Berufsleben? Da wird oft erhofft, dass man in der Nach- und Weiterbildung in wenigen Tagen ein Vollzeitstudium nachholen könne. Dabei kann man in dieser Zeit nur vermitteln, was fehlt, ungenutztes Potenzial aufzeigen und Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Nach dem Kurs ist das Lernen nicht beendet. Anschließend müssen die Konsequenzen für die eigene Arbeit diskutiert werden, mit Unterstützung des Managements umgesetzt und die Umsetzung in einem "Nachsorgetermin" bewertet. In einer Firma muss eine SE-Kultur entstehen. Dann wird sie auch von neuen Mitarbeitern als Teil der Firmenkultur übernommen.

Zu guter Letzt provozierte Prof. Ludewig damit, dass die Softwaretechnik ein eigenes Studienfach sein müsse (was es an der Universität Stuttgart ja auch ist), so wie die Elektrotechnik. Softwaretechnik ist kein Nebenfach der Informatik, sondern eine eigenständige Disziplin, die selbst aus vielen Fächern besteht.

Google stellt Antrag auf URL-Löschung online

Infolge der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (wir berichteten am 14. Mai) hat Google nun hier ein Formular online gestellt, mit Hilfe dessen man die Löschung einer URL aus den Suchergebnissen beantragen kann. Nun, ich hoffe, damit wird nicht allzu viel Missbrauch betrieben. Mir fiele jedenfalls eine Menge ein, was man anstellen könnte. Google selbst nennt zum Beispiel "Behinderung von Konkurrenten".
Andrea Herrmann

Freitag, 30. Mai 2014

Kurzbiographie: eine schwierige Kunst!

Seitdem ich mich selbständig gemacht habe, feile ich an meiner Kurzbiographie. Allmählich erscheint es mir vollständig unmöglich, meinen Lebenslauf in drei Sätzen verständlich zusammenzufassen. Eventuell ist er auch in Langfassung nicht verständlich? Alles was über die Klischées hinausragt, verursacht Verwirrung. Beispielsweise darf es anscheinend nur "reine Theoretiker" und "reine Praktiker" geben. Wobei es aber in Ordnung zu sein scheint, wenn ein Praktiker seine Erfahrung in einer Vorlesung weitergibt oder wenn ein Praktiker einen Doktortitel hat. Aber "7 Jahre IT-Firmen und 10 Jahre Forschung und Lehre" geht gar nicht. Das ist kein richtiger Lebenslauf.

Was ich auf gar keinen Fall jemals wieder schreiben darf ist, dass ich Privatdozentin an der Universität Heidelberg bin. Dann glauben alle ganz sicher, dass ich in Heidelberg wohne und dort eine feste Stelle an der Universität habe. Damit bin ich dann auch als "reine Wissenschaftlerin" verortet. Auch wenn die anderen beiden Sätze des Lebenslaufs etwas anderes behaupten.

Ein wenig neidisch bin ich auf die Honorarprofessoren. Deren Titel klingt viel besser, obwohl die geforderte Qualifikation geringer ist. Ein Honorarprofessor braucht keine Habilitation, der Privatdozent auf jeden Fall. Gemeinsam haben wir die Tatsache, dass wir langjährig (lebenslang!) kostenlos nebenberuflich Vorlesungen halten. Aber der Honorarprofessor-Titel klingt eben seriös, nach echtem Professor, während dem Privatdozenten irgendeine Qualifikation zu fehlen scheint. Nein, der Privatdozent gibt selbständig Lehre, genauso wie ein Professor, nur leider ohne Gehalt und ohne Anstellung. So ähnlich wie jemand, der ein Zertifikat hat für einen bestimmten Beruf, aber leider gerade keine Stelle in diesem Bereich.

Kurz und gut: Die Privatdozentur wird aus dem Lebenslauf gestrichen und zusammengefasst mit meinen bezahlten Lehraufträgen. Solange meine potenziellen Kunden glauben, ich sei reine Wissenschaftlerin und habe in Heidelberg eine Vollzeitstelle, kommen sie gar nicht auf die Idee, mich anmieten zu wollen. Stattdessen sind sie der Meinung, ich könne kostenlos für sie arbeiten, da ich ja schon aus ihren Steuern bezahlt werde. Sehr schön ist auch der großzügige Hinweis, ich könne durch kostenloses Arbeiten bei ihnen "Erfahrungen sammeln". Überhaupt komme ich immer mehr weg von kostenlosen Vorträgen, kostenlosen Schnupperkursen. Was nichts kostet, ist doch sowieso nichts wert. Die Leute sagen dann nicht mal ab, wenn sie nicht zur Schulung kommen.

Schade ist es schon, wenn man sich kleiner machen muss als man ist, nur um weniger inkompetent zu wirken! Aber Habilitation, Privatdozentur etc., das ist auf dem Markt leider sowieso nicht viel wert und wertet meine 8 Jahre Praxiserfahrung vollständig auf null ab. Selbst dann wenn man sich mit wissenschaftlichen Methoden mit der Praxis beschäftigt hat! Es zählt in der Informatik nur, wie viele Line of Code man im Leben geschrieben hat.

Hier also mein neuer Versuch einer Kurzbiographie:
Dr. Andrea Herrmann ist freie Trainerin und Beraterin für Software Engineering aus Stuttgart. Sie gibt außerdem Vorlesungen an verschiedenen Hochschulen. Sie hat 19 Jahre Berufserfahrung als Beraterin, Projektleiterin und Dozentin.

Dienstag, 27. Mai 2014

Requirements im Sog der Macht / Teil 3

Hier erscheint nun der dritte und letzte Teil der Serie "Requirements im Sog der Macht". In diesem Teil geht es konkret darum, wie der Requirements Engineer bei Erhebung, Priorisierung und Validierung von Anforderungen Machtverhältnisse und politische Spielchen berücksichtigt.

Freitag, 23. Mai 2014

Agilität ist nicht nur toll

Gestern hielt Hr. Dr. Boes auf den Karlsruher Entwicklertagen eine Key Note mit dem Titel "Agil ist in! Bestandsaufnahme zur Praxis agiler Konzepte in Entwicklung, Engineering und Administration". Dabei präsentierte er Ergebnisse einer Untersuchung zur Agilität in der Praxis. Dabei stellte sich heraus, dass aus Sicht der Beteiligten - oder Betroffenen - Agilität auch große Nachteile haben kann:
  • Die Mitarbeiter werden austauschbar.
  • Jeder muss sich täglich neu bewähren und beweisen, dass er es wert ist, in dieser Firma arbeiten zu dürfen.
  • Kopfarbeit wird wie Fließbandarbeit organisiert und damit entwertet.
  • Alles wird transparent, auch und besonders Fehler, die jemandem unterlaufen.
Dies zusammen genommen bietet Agitlität wirklich keinen positiven Anreiz. Umso wichtiger ist es, die Agilität richtig ein- und durchzuführen. Die Grundidee der agilen Entwicklung war niemals das Mikromanagement, sondern Empowerment und Selbstorganisation.

Mittwoch, 14. Mai 2014

Datenschutz: Google muss Suchergebnisse löschen

Zum Datenschutz gehört, dass wir selbst bestimmen können, was mit unseren persönlichen Daten geschieht. Wir können auch eine Löschung verlangen, wenn die Daten nicht mehr gebraucht werden. Nun wurde gerichtlich bestimmt, dass Google persönliche Daten aus den Suchergebnissen löschen muss (zum Spiegel-Artikel hier). Es handelt sich hier um einen Zeitungsartikel über eine Pfändung.

Was der Artikel vergisst zu erwähnen: Erstens war es schon immer möglich, wenn auch aufwändig, eigene Webseiten aus den Suchergebnissen löschen zu lassen. Zweitens frage ich mich, warum eigentlich Google in diesem speziellen Fall eines unerwünschten Zeitungsartikels in die Pflicht genommen wird. Müsste nicht die Zeitung selbst den Artikel in ihrem Online-Archiv ausschwärzen? Und tatsächlich war das auch die erste Idee gewesen, doch die Zeitung konnte zu einer Löschung nicht gezwungen werden, weil die Veröffentlichung des Artikels rechtsmäßig ist. (Nachzulesen in der Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs.)

Warum aber, wenn die Daten richtigerweise im Netz stehen, muss die Suchmaschine dann ausfiltern? Das verstehe ich genauso wenig wie dass Anbieter von Diskussionsforen für die Inhalte verantwortlich gemacht werden, die ihre Benutzer bei ihnen einstellen. Das ist nach meinem Rechtsempfinden als müsse ein Buchhändler alle Bücher lesen und verantworten, die bei ihm im Laden stehen. Oder als könne ein Gastwirt für jedes Gespräch in seiner Kneipe haftbar gemacht werden.

Nun können wir erwarten, dass Google Millionen von Inhalten aus den Suchergebnissen löschen muss für Leute, denen es nicht gelungen ist, diese Daten von der entsprechenden Seite löschen zu lassen. Also auch dort, wo die Veröffentichung rechtmäßig ist. Mir erscheint dieses Urteil eher wie etwas, das Google sagen soll "Ihr könnte nicht ungehindert weitermachen - mal so allgemein gesprochen." Ich weiß, Google ist nicht arm, und kann die neuen Auflagen erfüllen. Aber was wird nun aus den vielen anderen Suchmaschinen, den kleinen, ehrenamtlich aufgesetzten, die dem Datenschutz dienen sollen? Werden diese als nächstes in Grund und Boden prozessiert?

Andrea Herrmann

Dienstag, 6. Mai 2014

Speakerinnen-Liste

Die Frauenanteile in Gremien und Podiumsdiskussionen liegen ja manchmal unrepräsentativ niedrig. Die übliche Ausrede lautet dann: "Wir würden ja gerne Frauen einladen, aber es gibt keine kompetenten Frauen in diesem Bereich. Jetzt ist Schluss mit dieser Ausrede, denn es gibt www.speakerinnen.org. Andrea Herrmann hat sich gerade eben eingetragen.

Mittwoch, 30. April 2014

nochmal Fachkräftemangel: Mehr Akademiker, aber nicht mehr Jobs

Hier noch passend ein Artikel zum angeblichen Fachkräftemangel: "Mehr Akademiker, aber nicht mehr Jobs". Ein Drittel aller Akademiker arbeiten auf Jobs, für die sie überqualifiziert sind, und verdrängen damit Fachkräfte ohne Universitätsabschluss, die dieser Arbeit auch hätten machen können. Klingt das nach Fachkräftemangel???

Requirements im Sog der Macht / Teil 2

Und hier der zweite Teil der Serie "Requirements im Sog der Macht". Darin geht es um Best Practices für den Requirements Engineer, die er bei seiner täglichen Arbeit im Spannungsfeld von Macht und Politik einhalten sollte. Und das war noch nicht der letzte Teil...

Dienstag, 29. April 2014

Fachkräftemangel in der Informatik

Die Software-Branche jammert mal wieder über Fachkräftemangel. Das ist doch nach wie vor Unsinn. Es gibt jede Menge kompetente, arbeitswillige Fachkräfte in Deutschland. Es ist nur so, dass die Firmen zu hohe (?) Ansprüche stellen. Jeder über 35 Jahre ist keine Fachkraft mehr. Frauen unter 35 Jahren sind potenzielle Mütter und daher keine Fachkraft. Jemand, der bei Einstellung nicht schon jahrelang den Job gemacht hat, für den er eingestellt wird, ist keine Fachkraft. Jemand, der bei Einstellung nicht schon jahrelange Erfahrung mit der Technologie hat, mit der er arbeiten soll, ist keine Fachkraft.

Die jungen Leute von der Uni sind deshalb Fachkräfte, weil sie die letzten Jahre Vollzeit damit verbracht haben, sich weiterzubilden und Erfahrungen zu sammeln. Wer berufstätig ist, der sammelt "nur noch" sehr intensive Erfahrungen auf einem begrenzten fachlichen und technischen Gebiet. Das bedeutet doch aber nicht, dass er nicht durch entsprechende Schulungen und neue Erfahrungen zur Fachkraft auf neuen Themen werden kann. Die Firmen wollen aber nicht in Schulung und Einarbeitung investieren, sondern schon fertige Fachkräfte einstellen, die von der Hochschule oder von anderen Firmen geschult wurden.

Ich glaube, diese Nichtinvestition in die Einarbeitung und Fortbildung ihrer Mitarbeiter, ist ein Symptom für ein ganz anderes Problem. Die Mitarbeiter werden als grundsätzlich untreu und illoyal angesehen. Dabei schließt die Firma von sich auf die Mitarbeiter. Man befürchtet, wenn man die Leute zu gut schult, dann gehen sie für einen höheren Gehalt zur Konkurrenz. Und wer will schon die Topkräfte der Konkurrenz schulen? Lieber die Mitarbeiter klein und dumm halten, damit sie nur genau die drei Handgriffe beherrschen, die täglich von ihnen verlangt werden. Ändern sich die Anforderungen an den Mitarbeiter, dann sucht man auf dem Markt nach einer neuen, passenderen Fachkraft, statt die vorhandenen weiterzuentwickeln. Die Mitarbeiter auf der anderen Seite des Zaunes sind anscheinend immer fachkräftiger.

Ich weiß: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und einige Einzelfälle sind kein Beweis. Aber ich kenne einige Informatiker/innen über 35, die weit unter ihrer Qualifikation arbeiten oder auch überhaupt nicht mehr. Und das nicht freiwillig. Diese wären froh, man würde sie als "Fachkraft" bezeichnen und einstellen.

Andrea Herrmann

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