Sonntag, 8. Mai 2016

Selbstüberschätzung von Führungskräften

Der Dunning-Kruger-Effekt ist ja bekannt: Inkompetente Menschen können weder ihr eigenes Unwissen noch das Wissen von Experten korrekt einschätzen. Ich nenne das gerne: "Ich habe mal ein Buch darüber gelesen und jetzt weiß ich mehr als alle anderen."

Neulich habe ich in der Zeitschrift ManagerSeminare (Heft 218, Mai 2016, S. 33) eine schöne Passage über die Selbstüberschätzung von Führungskräften gefunden. Könnte von mir sein. Hermann Arnold hatte 2013 seinen Posten als CEO der selbst gegründeten Firma abgegeben. Damit hat er dann u.a. folgende Erfahrungen gemacht:
"Zum Beispiel, wie viel von dem, was man als Führungskraft an Anerkennung und Machtzuschreibung bekommt, der Rolle und nicht der eigenen Person geschuldet ist. Zum ersten Mal habe ich das übrigens in einer Situation gespürt, kurz bevor ich in die Auszeit ging: Marc Stoffel [sein Nachfolger] und ich hatten ein Treffen mit potenziellen Kooperationspartnern. Anfangs war alles wie immer: Unsere Gesprächspartner sprachen vor allem mit mir, fragten mich nach meiner Meinung. Irgendwann habe ich nebenbei erwähnt, dass bald mein Kollege, Marc Stoffel, CEO werden würde. Dann ist etwas passiert, was ich niemals erwartet hätte: Von dem Moment an hat sich die Dynamik im Raum vollkommen verändert. Plötzlich haben die Gesprächspartner nur noch mit Marc Stoffel gesprochen, nur noch ihn angeschaut. Fast so, als würde ich nicht mehr existieren.
Interviewer: Klingt unangenehm...
Hermann Arnold: Das war es auch; es war verletzend fürs Ego. Aber es war auch eine wichtige Lernerfahrung. Führungskräfte denken immer, sie bekommen Aufmerksamkeit und Anerkennung, weil sie so toll sind. Selbst wenn man von Natur aus ein eher bescheidener Mensch ist, bleibt man davon nicht unberührt. Aber so ist es eben nicht. Vieles geht nur aufs Konto der Rolle, nicht der Person. Das ist etwas, das ich nun auch meinem Nachfolger ganz gut widerspiegeln kann. Denn ich beobachte auch an ihm, dass er manchmal in dieses Denken tappt. Etwa wenn er sich bei mir beschwert, dass seine Teams ihn zu häufig zu Hilfe holen, wenn etwas nicht klappt. Er erzählt mir dann manchmal verwundert, dass er selbst das Problem in einer Stunde gelöst habe... und ich sage ihm: "Vorsicht, das liegt nicht daran, dass du so klug bist, sondern vor allem daran, dass du in einer Position bist, in der du die Dinge leichter ans Laufen bringen kannst."

Wie wahr, wie wahr. Ich hatte ja auch schon mehrfach interimsweise einen hohen Status. Das war schon schön, wenn sich plötzlich alle Menschen hilfsbereit und höflich verhalten. Habe ich einen geringeren Status oder sehen sie mir meinen Status nicht an, verhalten sie sich oft sogar absichtlich unhöflich. Nur mal als Beispiel: Ich wollte in der Universitätsbücherei am ruhigsten Samstagvormittag ein Buch ausleihen. Leider hatte ich nicht die nötigen zwei 2-Euro-Stücke für das Schließfach und sprach die Mitarbeiterin an. Sie reagierte ruppig ("Schon wieder so eine...") und schärfte mir mehrmals ein, ich müsse das Geld später wieder zurück wechseln. Das klang aber nach "Ich habe es Dir - Studentin - schon drei Mal gesagt, aber ich weiß schon, Du wirst später nicht daran denken."
Später hatte ich dann technische Schwierigkeiten bei der Selbstausleihe und wollte um Hilfe bitten. Ich wurde aber erstmal minutenlang hartnäckig ignoriert. Schließlich bewegte sich die Mitarbeiterin betont langsam von ihrem Bildschirm fort und erklärte mir, dass doch alles ganz einfach sei.
Beim Blick auf meine Ausleihkarte sah sie meinen Doktortitel und plötzlich war sie ein ganz anderer Mensch. Schlagartig war mein technisches Problem ein ganz normales, sie wickelte mich unerwartet in süßlichsten Small Talk ein, und als ich später ihr Kleingeld zurück wechseln wollte, wollte sie es gar nicht mehr zurück. Typisch! Von solchen Leuten sollte man darum seine Selbsteinschätzung nicht abhängig machen, weder im Guten noch im Schlechten, und das Fremdbild anderer kann man in die Tonne treten, weil es üblicherweise auf falschen Annahmen beruht. Schließlich bilden sich die meisten Menschen ein (siehe Dunning-Kuger-Effekt), andere auf den ersten Blick einschätzen zu können. Damit setzen sie sich selbst unter Druck, Fehleinschätzungen zu treffen.
Auf der sicheren Seite ist man letztlich, wenn man alle Menschen gleich freundlich und höflich behandelt. Das vermeidet so manchen Fettnapf und macht die Welt zu einem besseren Ort, ist aber für die meisten wohl zu anstrengend. Man konzentriert seine Achtung immer auf denjenigen mit dem höchsten Status. Selbst schuld! Da gebe ich gerne eine Runde Fettnäpfe aus.

Andrea Herrmann

Freitag, 29. April 2016

Alles wird immer schlimmer?

Seit (gefühlt) Jahrhunderten lese ich Fachartikel, Studien, Masterarbeiten und Produkt-Whitepapers, welche die Bedeutung ihrer Arbeit allein damit begründen, dass in dieser Welt immer alles schlimmer wird. Time to market wird kürzer, die Konkurrenz billiger, die Risiken höher, die gesetzlichen Auflagen strenger, und so weiter und so weiter. Insgesamt entsteht dadurch eine regelrechte Katastrophenstimmung, und ich will nur hoffen, dass die Autor/innen das alles selbst nicht glauben. Hoffentlich schreiben sie das alles nur, weil ihnen keine triftigere Begründung dafür einfällt, warum sie die millionste Masterarbeit zur Bedeutung von Risikomanagement oder Innovationsmanagement schreiben oder ein Tool entwickelt haben, wie es eigentlich schon hundert gibt. Vielleicht ist es aber auch nur eine dumme Angewohnheit. Aber eigentlich sollte man sich - außer bei einer Masterarbeit - vorher durchaus mehrmals überlegen, in welches Thema man seine Lebenszeit investieren möchte.

Ich persönlich finde, dass eigentlich nur eines wirklich schlimmer geworden ist in den letzten Jahren: Die Informationsflut. Ich kann immer mehr in immer kürzerer Zeit wissen. Aber auch das ist prima im Vergleich dazu, wie umständlich ich mir in meiner Jugend Informationen beschaffen musste. Um das heutige Kinoprogramm zu erfahren, brauchte ich zuerst die Telefonnummer des Kinos und rief dann womöglich noch zu einem unpassenden Zeitpunkt an - außerhalb der Geschäftszeiten oder dann wenn alle anderen auch anrufen. Und die Suche nach Fachliteratur bestand aus einem eintägigen Ausflug in eine Bücherei (gerne auch in einer anderen Stadt), wo man sich beim Exzerptieren eine Sehnenscheidenentzündung zusammen schrieb. Heute können wir gezielt Wissen schneller, bequemer und umfassender beschaffen. Die heutige bessere Informationslage führt natürlich auch zu Preisdumping, weil Kunden weltweit vergleichen können. Hong Kong verkauft ja auch auf ebay.de versandkostenfrei. Allerdings wissen erfahrene Käufer inzwischen, dass nicht jedes blinkende Internet-Schnäppchen sein Geld wert ist. Ach, wir wissen so viel!

Ansonsten... Ist wirklich alles so viel schlimmer geworden, dass es dieses allgemeine Gejammer rechtfertigt? Oder rechtfertigt das Gejammer umgekehrt eher nutz- und phantasielose Forschungs- und Entwicklungsarbeiten?

Von uns wird durchaus eine höhere Effizienz erwartet, aber nur deshalb, weil wir sie auch leisten können. Aber es gibt so viel Hilfe dabei, gute Arbeit zu leisten. Standards sind ja nicht Hindernisse, sondern Leitlinien. Viele Software-Werkzeuge benutzen wir sogar kostenlos, Dienstleistungen können wir gut und günstig outsourcen und damit selbst mehr erreichen.

Ich glaube, es ist nach wie vor dasselbe: Es wird so viel gepfuscht in dieser Welt, dass gute Arbeit sich immer noch zu einem ordentlichen Preis verkaufen kann. Gerade diejenigen, die sich vom angeblichen Druck irritieren lassen, haben das Nachsehen. Ein anschauliches Beispiel sind die Bäcker. Wollen die Menschen wirklich immer schlechteres Brot für weniger Geld? Warum versuchen die Bäckereien überhaupt, mit Fabrikbrot aus dem Discounter zu konkurrieren, 100 Sorten anzubieten und das zu kleinem Preis? Das geht doch mit Qualitätsarbeit gar nicht. Und wenn ich beim Bäcker dasselbe Aufbackbrötchen und Brotmischungsbrot wie im Supermarkt bekomme, nur doppelt so teuer, nunja... Regelmäßig backe ich inzwischen wieder selbst, weil man das Brotbacken anscheinend heutzutage nicht mehr outsourcen kann. Inzwischen habe ich aber doch einen exzellenten Bäcker entdeckt, der bietet 6 Brotsorten an, eine besser als die andere! Da ist der Preis dann auch fast egal, denn wenn ich ein einzelnes Brot selbst backe, sind das zwei Stunden Arbeit. So gerechnet...

Darum: Lassen wir uns nicht irritieren!

Andrea Herrmann

Sonntag, 10. April 2016

Anti-Google-Glass

Wenn jeder Fremde meinen Namen kennt und schon vor dem Händeschütteln meine Webseite gecheckt hat, kann das prima sein, weil er gleich weiß, wie berühmt ich bin. Es kann aber auch stören. Es sind ja nun nicht alle Fremden meine Freunde, und ich bin auch nicht ständig im Dienst. Google Glass wirft darum einige Datenschutz-Fragen auf.

Zum Glück kann man Technik oft mit Technik bekämpfen. In Japan wurde nun eine Anti-Gesichtserkennungs-Brille entwickelt. Wer diese Brille trägt, ist für das Computerauge nicht erkennbar.

Mittwoch, 16. März 2016

Leichtgewichtige Lastenheft-Vorlage zu kaufen

Jahrelang habe ich mich mit leichtgewichtigem Software Engineering beschäftigt, und daraus entstand eine abgespeckte Lastenheft-Vorlage. Diese Vorlage und auch ein ausgefülltes Beispiel dazu sind nun käuflich zu erwerben auf der Plattform von Ticksa: Weitere Dokumente werden folgen!
Andrea Herrmann

Donnerstag, 25. Februar 2016

Zeitmanagement, das sich den Randbedingungen anpasst

Im Freiberufler-Blog erschien ein Artikel von mir über Zeitmanagement,das sich den Randbedingungen anpasst.
Momentan brauche ich mir ja wegen der vielen Reisen keine Sorgen zu machen, dass ich "Stress im Home Office" habe. :-)
Andrea Herrmann

1. März 2016: unser Vortrag über ISO 29110 auf der REConf

Nächste Woche tragen am Dienstag 1. März Dr. Michael Jastram und ich auf der REConf über die ISO 29110 vor: "Standardkonforme Entwicklung mit ISO 29110 - auch für die Kleinen".

Samstag, 20. Februar 2016

Mit Inspektion zur guten Spezifikation (Gastbeitrag im Microtool-Blog)

In meinem Gastbeitrag im Microtool-Blog diskutiere ich Best Practices für die Inspektion von Anforderungen.
Viel Spaß beim Inspizieren!
Andrea Herrmann

Feng Shui Experiment: Hat etwas gedauert

Vor einem Jahr habe ich ja das "Feng-Shui-Kühlschrank-Experiment" gestartet. Ich halte meine Lebensmittelvorräte gering und kaufe nur ein, was schon ausgegangen ist, also nichts mehr auf Vorrat. Im April 2015 war ich nicht so sicher, ob es wirklich geklappt hat. Tatsächlich dauern echte Veränderungen einige Zeit. JETZT würde ich sagen, dass es ein voller Erfolg war. Im Herbst hatte ich nochmal eichhörnchenmäßig Aufträge gehamstert. Ich knabbere immer noch daran! Sie sind noch nicht ganz aufgegessen.

Aber inzwischen hat sich ein ganz guter Rhythmus entwickelt und ein Gefühl dafür, was ich wirklich brauche - nicht nur bei den Nüssen, sondern auch bei den Aufträgen. Wie viele Schulungen kann ich sinnvollerweise halten, wie viele Artikel und Bücher gleichzeitig schreiben? Und ich fühle nicht mehr das Bedürfnis, Aufträge auf Vorrat zu hamstern für schlechte Zeiten, wo womöglich Langeweile eintritt. Ich fühle mich besser im Fluss mit einer Welt, in der ständig Lebensmittel produziert werden und Bedürfnisse / Aufträge entstehen.

Ich schiebe das auf das Feng-Shui-Experiment. Die Erfahrung, dass ich auch ohne Hamsterkauf von Lebensmitteln überleben kann und niemals hungern muss, macht gelassener und das überträgt sich auf alles andere.

Nun kann ich mich mal umblicken, was es noch zu optimieren gibt...
Andrea Herrmann

Donnerstag, 18. Februar 2016

LehRE Proceeding online

Nun sind auch schon vorab die Workshop Proceedings der Software Engineering Konferenz online - damit auch des Workshops LehRE.

Samstag, 13. Februar 2016

Kennzahlen-gesteuerter Unsinn

Bei Youtube gibt es ein neues Video von mir über Kennzahlen, Ziele und die richtige Balance. Ziele stehen miteinander im Widerspruch. Was tun?

A. Herrmann

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